Spaniens neues Gleichstellungsgesetz streicht versehentlich zwei Gründe der objektiven Nichtigkeit – und nun?

Veröffentlicht am 03.09.2024

Spanien hat einige arbeitsrechtlich bewegte Sommerwochen hinter sich. Durch einen „technischen“ Fehler im neuen Gleichstellungsgesetz (Ley de Paridad) sind zwei Gründe für die objektive bzw. automatische Nichtigkeit von Entlassungen entfallen. Nach Angaben des spanischen Gleichstellungsministeriums wird dieser Fehler so bald wie möglich korrigiert. Was geschieht jedoch bis zur effektiven Berichtigung des Gesetzes mit möglichen Entlassungen?

Anna Martí Belda Abogada +34 91 319 96 86

Am 22. August 2024 trat das Grundlagengesetz 2/2024 vom 1. August über die gleichberechtigte Repräsentation und ausgewogene Präsenz von Frauen und Männern (das „Gleichstellungsgesetz“) in Kraft, veröffentlicht am 2. August 2024 im spanischen Staatsanzeiger BOE. Seitdem wurde es heftig diskutiert, da ein „technischer“ Fehler zur „versehentlichen“ Streichung von zwei Gründen der objektiven Nichtigkeit geführt hat. Die von der Streichung betroffenen Gründe (Artikel 53.4 b) und 55.5 b) des Arbeitnehmerstatuts) waren gerade erst durch das königliche Gesetzesdekret 5/2023 vom 28. Juni in das Statut aufgenommen worden. Anstatt jedoch die aktuellste Fassung des Textes (der des Gesetzesdekretes 5/2023) als Grundlage für die Änderung zu verwenden, wurde eine frühere Fassung herangezogen – und so die neu hinzugefügten Gründe der objektiven Nichtigkeit gestrichen.

Eine solche gesetzlich festgelegte bzw. objektive Nichtigkeit einer Kündigung ist kein generelles Kündigungsverbot. Vielmehr wird damit eine Einstufung der Kündigung als „unzulässig“ untersagt bzw. ausgeschlossen. Mit anderen Worten, die Entlassung von Arbeitnehmern, auf die einer der in Artikel 53.4.b) und 55.5.b) des Arbeitnehmerstatuts beschriebenen Umstände zutrifft, kann nur „zulässig“ oder „nichtig“, nicht jedoch „unzulässig“ erklärt werden.

Im spanischen Arbeitsrecht hat diese Unterscheidung eine gewisse Tragweite. Eine „unzulässige“ Kündigung verpflichtete das Unternehmen entweder zur Wiedereinstellung des Arbeitnehmers samt Zahlung des seit der Kündigung angefallenen Entgelts oder zur Zahlung einer Entschädigung für die unzulässige Entlassung. Seit dem 12. Februar 2012 beläuft sich diese Entschädigung auf 33 Tagesgehälter pro Jahr der Betriebszugehörigkeit, höchstens jedoch auf 24 Monatsgehälter. Eine „nichtige“ Kündigung würde hingegen die Wiedereinstellung des Arbeitnehmers, die Zahlung des angefallenen Entgeltes sowie die Zahlung einer Entschädigung für ideelle Schäden (daños morales) oder die Verletzung seiner Grundrechte nach sich ziehen. Die Beschränkung der Einstufung einer Kündigung auf „zulässig“ oder „nichtig“ bietet Arbeitnehmern somit einen umfassenderen Schutz.

Wenngleich das Gleichstellungsgesetz durch seine nicht ganz unstrittige neunte Schlussbestimmung den Schutz von Arbeitnehmern, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, durch Aufnahme in das Arbeitnehmerstatut stärkt, schwächt der beschriebene „technische“ Fehler den Schutz von Arbeitnehmern, die eine Anpassung des Arbeitstages gemäß Artikel 34.8. Arbeitnehmerstatut oder fünf Tage Urlaub wegen Unfalls, Krankheit, Krankenhausaufenthalt oder Operation eines Familienmitglieds nach Artikel 37.3.b) Arbeitnehmerstatut beantragt haben oder in Anspruch nehmen, doch erheblich.

Seit dem 22. August 2024 – und bis das Gesetz effektiv berichtigt ist – können Unternehmen Arbeitnehmer in diesen beiden Situationen daher leichter entlassen. Allerdings könnten die betroffenen Arbeitnehmer, wie von Arbeitsrechtsexperten bereits skizziert, eine Verletzung des Rechts auf Schadloshaltung (d. h. das arbeitnehmerseitige Schutzrecht gegen Repressalien des Unternehmens, wenn sie ihnen zustehende Rechte ausüben) geltend machen. Im Rahmen einer solchen Klage könnte die betreffende Kündigung als zulässig, unzulässig oder nichtig erklärt werden (und nicht nur zulässig oder nichtig wie im Falle der objektiven Nichtigkeit). Diese Option bietet jedoch einen weitaus schlechteren Schutz als die gesetzlich vorgesehene objektive Nichtigkeit, weshalb sich die Situation der betroffenen Arbeitnehmer wesentlich verschlechtert hat.