NÄCHTLICHER BETRIEB VON BÜROGEBÄUDEN ALS LOGISTIKLÖSUNG IN SPANIEN

Veröffentlicht am 27.09.2019

Die digitale Revolution der letzten Jahre im Bereich des E-Commerce führt zu neuen sozio-ökonomischen Herausforderungen.

Stefan Meyer Abogado & Rechtsanwalt +34 91 319 96 86

Die Logistikbranche ist hierbei einer der Bereiche, der aufgrund der zunehmenden Internetkäufe den größten Veränderungen unterworfen ist, die zu einem großen Teil der Tendenz zum kostenlosen Versand und den Herausforderungen der Rücknahmelogistik (35 % der Internetnutzer geben an, 2018 ein im Internet erworbenes Produkt zurückgeschickt zu haben) geschuldet sind.

Insbesondere die Last Mile Logistik zur Überbrückung der letzten Meile (ca. 1,5 km) durch den Stadtkern bis zur Haustür des Kunden gestaltet sich als schwierig und verursacht die meisten Kosten bei der Zustellung von Paketen (in Einzelfällen bis zu 50 %). Dies liegt größtenteils an dem hohen Verkehrsaufkommen und den Zufahrtsbeschränkungen für Fahrzeuge aus Gründen des Umweltschutzes. In Madrid trat beispielsweise 2019 die Zufahrtsbeschränkung zu dem als „Madrid Central“ bezeichneten Bereich des Stadtkerns in Kraft.

Diese Mobilitätsprobleme, fehlende Logistikhallen in den Innenstädten und die hohen Mietkosten haben die Vermögensverwaltungsgesellschaft Merlin Properties zur Entwicklung eines Pilotprojektes in Kooperation mit CBRE veranlasst. Der Erfolg dieses Projektes könnte zu entscheidenden Veränderungen der Strategien bei Immobilieninvestitionen im Tertiär- bzw. Dienstleistungssektor (Büros und Einkaufszentren) führen.

Bei diesem innovativen Geschäftsmodell werden Parkplätze von Bürogebäuden nachts in Logistikzentren umgewandelt, so dass Logistikunternehmer diese als Zentren der „last mile“ nutzen können, um die Zustellung der Pakete im Innenstadtbereich am darauffolgenden Tag zu organisieren.

Eine Nutzung von Cross-Docking-Hallen (Logistikhallen, die sich ca. 20 km außerhalb der Stadt befinden) ist bei diesem Modell nicht mehr vonnöten, die Spediteure können die Bürogebäude und Einkaufszentren vielmehr direkt anfahren (viel näher am Stadtzentrum, innerhalb der Stadtgrenzen). Dort können die Waren dann auf kleinere Transporter oder Motorräder, bei denen es sich zukünftig um Hybrid- oder emissionsfreie Fahrzeuge (Zero Emission Vehicles) handeln muss, umgeladen oder umverteilt werden.

Im Rahmen dieses Projektes werden 2020 die ersten Parkhäuser – zwei in Madrid, u.a. am Sitz von Philips, sowie ein weiteres Parkhaus in Barcelona – nachts geöffnet.

Sollten sich diese Projekte als erfolgreich erweisen, ist davon auszugehen, dass sich auch die Investitionen in Bürogebäude und Einkaufszentren in den nächsten Jahren im Sinne einer Dynamisierung des Marktes merklich ändern werden. Die Gebäude würden durch die doppelte Vermietung (tagsüber sowie nachts) rentabler und die Amortisation könnte früher erfolgen, da die Immobilien für zwei kompatible und parallele Aktivitäten genutzt werden: Zum einen als klassische Büroimmobilie und/oder Einkaufszentrum, zum anderen zu Logistikzwecken.

Um ein reibungsloses Nebeneinander der verschiedenen Aktivitäten und Nutzungsarten, insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der jeweiligen Betreiber, zu gewährleisten, sind in diesem Zusammenhang auch aus rechtlicher Sicht kreative Lösungen und Denkansätze gefordert.