Spanisches Erbrecht: Besonderheiten und Hinweise auf Unterschiede zur Rechtslage in Deutschland

Veröffentlicht am 07.11.2016

Immer mehr Erbfälle in Europa haben einen grenzüberschreitenden Bezug zu anderen Staaten. Aufgrund der EU-Erbrechtsverordnung, die seit dem 17.08.2015 in allen EU-Staaten einheitlich und verbindlich Anwendung findet, ist es nun möglich, dass auf bspw. deutsche Erbfälle in Spanien gemeinspanisches oder sogar foralrechtliches Erbrecht Anwendung findet. Gleiches gilt selbstverständlich im Falle von anderen EU-Ausländern, die ihren Lebensmittelpunkt nach Spanien verlagern. Gerade auch vor dem Hintergrund des erheblichen Immobilienvermögens ausländischer Staatsbürger in Spanien zeichnet sich dieser Bereich durch eine extrem hohe Praxisrelevanz aus. Der folgende Artikel beinhaltet eine allgemeine Übersicht über die Besonderheiten des spanischen Erbrechts, mit besonderem Hinweis auf die Unterschiede zu Deutschland.

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Spanien weist sich im Bereich des Erbrechts und des Ehegüterrechts in erster Linie dadurch aus, dass es sich um einen Mehrrechtsstaat handelt. Dementsprechend gehen die besonderen Regelungen einzelner autonomer Regionen der Anwendung des gemeinspanischen Erbrechts vor. Infolgedessen gibt es in Spanien kein einheitliches spanisches Erbrecht, sondern es gelten verschiedene, regionale Rechtsordnungen – die sogenannten Foralrechte (derechos forales). Kommen keine Foralrechte zur Anwendung, gelten wiederum die Regelungen des gemeinspanischen Erbrechts des Código Civil aus dem Jahre 1889.

Foralrechte in Erbsachen finden wir in Aragonien, Balearen (Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera), Baskenland (Biskaya, Alava, Guipuzkoa), Galizien, Katalonien, Navarra und Valencia. Daneben existieren örtliche Gewohnheitsrechte in Asturien und Murcia.

Aufgrund der EU-Erbrechtsverordnung Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates wird das Heimatrechtsprinzip aufgegeben und vielmehr auf den gewöhnlichen Aufenthalt (residencia habitual) abgestellt. Seit dem 17.08.2015 findet somit auf den Nachlass ausländischer und somit auch deutscher Staatsangehöriger, die in Spanien ihren Lebensmittelpunkt haben, spanisches Erbrecht Anwendung – gegebenenfalls sogar vom gemeinspanischen Erbrecht stark abweichende Foralrechte.

Erbschaftsannahme

Das spanische Erbrecht sieht vor, dass die Rechte am Nachlass zwar im Augenblick des Todes des Erblassers unmittelbar beim Erben anfallen, dieser jedoch die Erbschaft im Unterschied zum bspw. deutschen Erbrecht ausdrücklich oder stillschweigend annehmen muss, um sie auch zu erwerben.
In der Zeitspanne zwischen Erbfall und Annahme ist das Nachlassvermögen ohne Rechtsträger: Es handelt sich um eine sogenannte „ruhende Erbschaft“. Darüber hinaus kennt das spanische Erbrecht im Gegensatz zu vielen anderen Rechtsordnungen allgemein keine gesetzliche Frist zur Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft. Eine Annahme kann ausdrücklich privatschriftlich oder in öffentlicher Urkunde erfolgen. Eine stillschweigende Annahme ist ebenfalls möglich und wird dann angenommen, wenn der Erbe Handlungen vornimmt, die einen Annahmewillen voraussetzen oder zu deren Vornahme nur ein Erbe berechtigt ist. Die Annahme kann entweder „rein und einfach“ (aceptación pura y simple) erfolgen, sodass der Erbe mit seinem ganzen Vermögen haftet, oder sie erfolgt unter dem Vorbehalt des Inventars zwecks Beschränkung der Haftung auf die Erbmasse.

Gesetzliche Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge im spanischen Erbrecht richtet nach dem Verwandtschaftsgrad zum Erblasser und nach dessen Familienstand. Die gesetzlichen Erben, d.h. sofern kein Testament vorliegt, sind:

1. die Kinder und ihre Abkömmlinge
2. die Eltern und ihre Vorfahren
3. der überlebende Ehegatte
4. die Seitenverwandten bis zum vierten Grad
5. der Staat

Die Verwandten des Erblassers in absteigender Linie erben vorrangig. D.h. die Kinder des Erblassers und deren Abkömmlinge. Hierbei werden an erster Stelle die Kinder des Erblassers zu Erben berufen, Kindeskinder und andere Abkömmlinge treten an die Stelle des vorverstorbenen Kindes (erbrechtliche Repräsentation).
Im Falle, dass keine Abkömmlinge vorhanden sind, werden die Eltern des Erblassers zu gesetzlichen Erben und zwar zu gleichen Teilen. Im Falle, dass ein Elternteil bereits verstorben ist, wird der andere Elternteil Erbe des gesamten Nachlasses. Sollten beide Eltern des Erblassers verstorben sein, fällt der Nachlass dem gradnächsten Vorfahren zu. Erst wenn weder Abkömmlinge noch Vorfahren des Erblassers vorhanden sind, erbt der überlebende Ehegatte und danach Verwandte der Seitenlinie bis zum 4. Grad. Existieren keine erbberechtigten Verwandten und kein überlebender Ehegatte, erbt der spanische Staat.

Testament

Testamente können in der gesetzlich vorgeschriebenen Form bestellt werden und sind jederzeit frei widerruflich, auch wenn der Testierende etwas anderes erklärt hat. Hieraus erklärt sich ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Recht, der darin besteht, dass gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge im gemeinspanischen Recht unzulässig sind. Dieses Verbot betrifft ebenfalls außerhalb Spaniens errichtete gemeinschaftliche Testamente spanischer Staatsbürger. Dies bedeutet auch, dass in Deutschland errichtete gemeinschaftliche Testamente, z.B. Berliner Testamente deutscher Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien, ungültig sind, wenn bei Testamentserrichtung nicht ausdrücklich die Anwendung deutschen Erbrechts vorbehalten wurde. Im Bereich der Erbverträge gilt dieses Verbot dann nicht, wenn es sich um Vertragsabschlüsse über Teilungsanordnungen mit dem Ziel einer Vermögensaufteilung unter Lebenden handelt und sofern hierdurch keine Noterbrechte beeinträchtigt werden. Eine weitere Ausnahme existiert für den Fall von Vereinbarungen zwischen Eheleuten auf den Todesfall über zukünftiges Vermögen, sofern diese im Rahmen von ehevertraglichen Vereinbarungen bereits vor der Eheschließung getroffen werden. Einige regionale Foralrechte lassen allerdings das gemeinschaftliche Testament und den Erbvertrag ausdrücklich zu, so z.B. Aragonien, Navarra oder Katalonien.

Eintragung im Testamentsregister

Das spanische Erbrecht legt außerdem fest, dass notarielle Testamente automatisch beim zentralspanischen Testamentsregister (Registro General de Actos de Ultima Voluntad) in Madrid registriert werden. Auch ausländische notarielle Testamente und Erbverträge können beim Testamentsregister hinterlegt werden, was bei in Spanien belegenden Nachlassvermögen empfehlenswert sein kann.

Pflichtteilsrecht

Wie in anderen Rechtsordnungen üblich, garantiert das gemeinspanische Recht den nächsten Angehörigen einen Anteil am Nachlass auch gegen den Willen des Erblassers (die sogenannte legítima). Im Unterschied zur Rechtslage in vielen anderen Ländern, wie Deutschland, handelt es sich beim gemeinspanischen „Pflichterben“ (heredero forzoso) um einen echten Noterben. Es geht also nicht um einen bloßen schuldrechtlichen Geldanspruch gegen die Erben, sondern der Pflichtteilsberechtigte wird automatisch Miterbe, mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten. Ein spanischer Erblasser könnte nur dann über sein gesamtes Vermögen testamentarisch frei verfügen, wenn keine Noterben vorhanden sind – dies sind:

1. die Kinder und deren Abkömmlinge
2. die Eltern und Vorfahren
3. der Ehegatte

Kindern und Abkömmlingen stehen zwei Drittel des Nachlasses als Noterbrecht zu. Hierbei ist ein Drittel auf die Kinder zu gleichen Teilen zu verteilen, während das zweite Drittel zur Aufbesserung einzelner Kinder verwendet werden kann. Nur das dritte Drittel steht dem Erblasser zur freien Verfügung. Wenn keine Kinder und Abkömmlinge des Erblassers vorhanden sind, steht den Eltern und entfernteren Vorfahren ein Pflichtteilsrecht über die Hälfte der Erbschaft zu. Treffen sie mit überlebenden Ehegatten zusammen, so beträgt deren Pflichtteil nur ein Drittel.

Ehegüterrecht und Ehegattenerbrecht

Der erbrechtlichen Auseinandersetzung des Nachlassvermögens ist die ehegüterrechtliche Auseinandersetzung der Vermögensmaßen vorgeschaltet. Der gesetzliche Gütererstand des gemeinspanischen Código Civil ist im Unterschied zum deutschen Recht der des régimen de gananciales, d.h. der Errungenschaftsgemeinschaft: All das, was jeder Ehegatte während der Ehe als Gewinn oder Ertrag erhält wird somit zu gemeinsamen Vermögen. Bei Auflösung der Gemeinschaft erhält der überlebende Ehegatte deshalb die Hälfte des gemeinsamen Vermögens, während die andere Hälfte in den Nachlass fällt. Vom gesetzlichen Güterstand kann nur durch einen öffentlich beurkundeten Ehevertrag abgewichen werden, der bei Eintragung der Ehe im Zivilstandsregister und bei Erwerb von Immobilien im spanischen Grundbuch vermerkt wird.

Andere gesetzliche Güterstände sind möglich, wie bspw. die Gütertrennung. In Katalonien stellt die Gütertrennung nach den Vorschriften des katalanischen Zivilgesetzbuches sogar den gesetzlichen Ehegüterstand dar.

Pflichtteil des überlebenden Ehegatten – Nießbrauch

Eine wichtige Besonderheit des spanischen Erbrechts und Unterschied zum bspw. deutschen Recht ist, dass dem Ehegatten nur ein bloßes Nießbrauchrecht an einem Bruchteil des Nachlassvermögens als Pflichtteil zusteht, weil der Blutsverwandtschaft der Vorrang gegeben wird. Der Pflichtteil des Ehegatten bestimmt sich danach, welche anderen zwingenden Erben vorhanden sind. So erhält der Ehegatte den Nießbrauch über das zur Aufbesserung des Pflichtteils der Abkömmlinge bestimmten Drittels des Nachlasses, sofern gemeinsame Abkömmlinge vorhanden sind.

Existieren nur Vorfahren des Erblassers, erstreckt sich das Nießbrauchrecht des überlebenden Ehegatten auf die Hälfte des Nachlasses. Der Pflichtteil besteht in einem Nießbrauchrecht über zwei Drittel des Nachlasses, wenn weder Abkömmlinge noch Vorfahren vorhanden sind. Die Erben können das Nießbrauchrecht des Ehegatten einvernehmlich oder mangels Einigung per richterlichen Beschluss durch eine Leibrente, Zuweisung von Erträgen bestimmter Nachlassgegenstände oder durch Barkapital abfinden.

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Foralrechte zum Teil besondere Regelungen für das Ehegattenerbrecht vorsehen und den überlebenden Ehegatten teilweise sogar vorrangig behandeln (z.B. in Aragonien).

Schlussbemerkung

Insbesondere vor dem Hintergrund des im Vergleich zur Rechtslage in anderen Ländern, wie bspw. Deutschland, unterschiedlichen Pflichtteils- bzw. Noterbenrechts sowie der Unzulässigkeit gemeinsamer Testamente und allgemein auch von Erbverträgen sollten bestehende letztwillige Verfügungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem aufgrund der Begründung eines Wohnsitzes in Spanien allgemein zur Anwendung kommenden regionalen spanischen Erbrechts überprüft werden. Dies hat gerade auch im Bereich des Immobilienrechts enorme praktische Auswirkungen und ist daher bei der allgemeinen Erbschaftsplanung stets zu beachten.

In diesem Zusammenhang sei nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen: Auf ausländische Staatsangehörige (der EU), die in Spanien ihren Lebensmittelpunkt haben und die bisher noch keine testamentarischen Regelungen getroffen haben, findet seit dem 17.08.2015 demnach spanisches Erbrecht Anwendung, was zu wesentlichen Abweichungen zu gewohnten Regelungen aus dem Heimatland führen kann.