Die neue europäische Erbrechtsverordnung vereinfacht die Abwicklung – bei richtiger Anwendung!

14.06.2012

Nach dem Parlament am 13. März 2012 hat nun auch der Rat der EU-Justizminister am 8. Juni 2012 dem Entwurf der neuen EU-Erbrechtsverordnung zugestimmt, die ab 2015 die Abwicklung internationaler Erbfälle innerhalb der EU –korrekterweise muss man sagen innerhalb der Unterzeichnerstaaten, da einige EU-Mitgliedsstaaten wie Großbritannien und Dänemark sich zunächst nicht anschließen- erleichtern soll und wird.

Vorab ist es wichtig zu erwähnen, was die neue Verordnung nicht regelt: so wird weder das interne materielle Erbrecht der Unterzeichnerstaaten berührt – in Spanien ist ggfs. weiterhin abzugrenzen, ob das gemeinspanische Erbrecht des bürgerlichen Gesetzbuches Código Civil oder ggfs. eines der zahlreichen Foralrechte der Autonomen Gebietskörperschaften anwendbar ist, mit ihrem teilweise erheblich abweichenden Regelungsgehalt. Daneben berührt die Verordnung auch nicht die steuerrechtlichen Aspekte internationaler Erbfälle, bislang –und weiterhin!- einer der Hauptknackpunkte vorausschauender Erb- und Vermögensberatung. Gerade aus spanischer Sicht ist zudem daran zu erinnern, dass die Besteuerung in Spanien belegener Nachlassgegenstände gegenüber Nichtresidenten derzeit auf dem europäischen Prüfstand steht, da die aktuelle Regelung Nichtresidenten ggüb. in Spanien ansässigen stark benachteiligt. Insofern ist derzeit ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien anhängig. Der aktuelle status quo ist allerdings, dass das Erben in Spanien für Nichtresidenten sich recht „steuerintensiv“ darstellt. Daran wird auch das zum 1. Januar 2013 zwischen Deutschland und Spanien in Kraft tretende neue Doppelbesteuerungsabkommen nichts ändern, da dieses erbschaftssteuerrechtliche Aspekte weiterhin nicht berücksichtigt.

Hauptregelung ist somit zunächst die Bestimmung des auf den gesamten Nachlass anwendbaren Erbrechts – dieses soll sich nach dem Recht des letzten ständigen Aufenthaltsort des Erblassers bestimmen, soweit der Erblasser seinen Nachlass nicht durch entsprechende Erklärung dem Recht seiner Staatsangehörigkeit unterstellt hat. Diese Regelung ist begrüßenswert, wird aber gerade in Zeiten immer größerer Mobilität und Mehrfachwohnsitze eine ganze Reihe rechtlicher Unsicherheiten mit sich bringen, zumal die Frage des letzten ständigen Aufenthaltsort des Erblassers wie oben dargelegt weitreichende materiellrechtliche Folgen zeitigen kann. Bei Zweifelsfällen und Wanderern zwischen verschiedenen Jurisdiktionen scheint hier der Streit um das anwendbare Recht unter den Erben vorprogrammiert. Umso angezeigter ist daher eine formrichtige Rechtswahl des Erblassers sowie unmissverständlich formulierte Testamente, zumal ja auch das ganze Pflichtteilsrecht am anwendbaren Recht festgemacht wird, mit aller Unterschiedlichkeit zwischen den Jurisdiktionen.

Eine deutliche Vereinfachung sollte dagegen die Einführung eines einheitlichen europäischen Erbscheins mit sich bringen, welcher die zahlreichen nationalen Regelungen und Modelle vereinheitlicht, so wie dies bisher schon im Bereich der Geburts- oder Sterbeurkunden der Fall ist. Zumindest dieser einheitliche europäische Erbschein sollte dann auch die Überbeglaubigung mit einer Haager Apostille sowie aufwendige Übersetzungen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr entbehrlich machen. Aus spanischer Sicht bleibt zu wünschen, wenn auch weiter fraglich, ob der einheitliche europäische Erbschein die bisherige Politik der Generaldirektion für das Register- und Notarswesen zu überwinden hilft, wonach grundsätzlich keine ausländischen Titel zur grundbuchmäßigen Umschreibung von Immobilien auf die Erben zugelassen werden, man die Erben vielmehr meist zur aufwendigen und kostspieligen notariellen Abgabe einer Erbschaftsannahmeerklärung zwingt.

Die neue europäische Erbrechtsverordnung wird die Abwicklung grenzüberschreitender Nachlässe und Erbfälle daher sicher vereinfachen – soweit man seine Regelungen richtig einsetzt. Gleichzeitig beschwört es gewisse bisher nicht bestehende neue potentielle Konflikte herauf, welche weiterhin eine erfahrene Beratung zur Vermeidung von Unsicherheiten erforderlich machen. Die eigentliche große Aufgabenstellung, eine Vereinfachung steuerrechtlicher Regelungen grenzüberschreitender Nachlässe, bleibt dagegen weiter ungelöst – dies wollte und sollte die Verordnung auch nicht. Dennoch wäre gerade dies ein sehr wichtiger und verdienstvoller nächster Schritt.

Für den Moment ist es aus praktischer Sicht in jedem Fall empfehlenswert, bei der Erstellung neuer Testamente eine eindeutige Rechtswahl zu treffen und schon bestehende Testamente auf eine solche zu prüfen bzw. durch ein neues Testament einschließlich Rechtswahl zu ersetzen.
 

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte Philipp Kirchheim: [email protected]