Spanien – Ein neuer gerichtlicher Rückschlag für Deliveroo

24.07.2019

In der Gerichtsschlacht, die in Madrid am 21. Mai 2018 durch die spanische Einzugsstelle der Sozialversicherung (Tesorería General de la Seguridad Social (TGSS)) gegen Roodfoods Spain, S.L (Deliveroo) und die mitbeklagten Arbeiter begonnen wurde, hat sich ein erster Sieg am vergangenen 22. Juli 2019 ereignet. An diesem Tag sprach das Arbeitsgericht Nr. 19 von Madrid sein Urteil Nr. 188/2019 (das Urteil), in dem anerkannt wird, dass sich die mitbeklagten Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis mit Deliveroo mit allen entsprechenden Konsequenzen befanden.

In dem Urteil werden 35 erwiesene Tatsachen und sechs Urteilsgründe aufgeführt und eine detaillierte Analyse der Bedingungen, die zum Bestehen eines Arbeitsverhältnisses führen, vorgenommen. Diese Bedingungen sind Freiwilligkeit, Vergütung, persönliche Erbringung, Weisungsgebundenheit und Fremdbestimmtung. In diesem Artikel wollen wir eine kurze Übersicht über die Schlussfolgerungen geben, zu denen das ehrwürdige Gericht gelangte, um den Forderungen aus der von der TGSS eingereichten Klage, stattzugeben. Hervorzuheben sind dabei die folgenden Punkte:

  1. Wie die Parteien einen Vertrag benennen, ist irrelevant, entscheidend ist vielmehr der tatsächliche Inhalt der Verpflichtungen, die die beteiligten Personen eingehen.
  2. Die von dem Verfahren 510/2018 betroffenen Personen haben ihre Leistungen persönlich und freiwillig erbracht, da nicht nachgewiesen wurde, dass die Leistungen an Dritte untervergeben oder delegiert wurden.
  3. Die Bedingung der Vergütung liegt vor, da, obgleich in den gewählten Systemen sowohl nach Arbeitsleistung als auch nach Zeit vergütet wurde, beide System in der arbeitsrechtlichen Gesetzgebung nach Maßgabe des Artikels 26.3 des Arbeitnehmerstatuts (Estatuto de los Trabajadores) akzeptiert werden.
  4. Hinsichtlich der Fremdbestimmung sieht es der Richter als erwiesen an, dass, obgleich die Betroffenen bei dem Prozess ihre eigenen Fahrzeuge verwendeten, um die Lieferdienste zu erbringen, die bedeutendsten Vermögenswerte – die App von Deliveroo und seine Marke – von dem Unternehmen gestellt und kontrolliert wurden. Ferner waren die Lieferanten nicht Teil des Rechtsgeschäfts zwischen Deliveroo, dem Restaurant und dem Kunden. Ihre Leistung war einzig auf die Auslieferung begrenzt, deren Adresse sie nach der Abholung der Bestellung im Restaurant genau kannten. All das führt zu der Schlussfolgerung, dass die Lieferanten nie an dem Vertrag beteiligt waren, und daher zu keinem Zeitpunkt die damit verbundenen Risiken übernahmen.
  5. Hinsichtlich des letzten Aspektes, der Weisungsgebundenheit, kam der Richter zu dem Schluss, dass die Lieferanten ihre Leistungen in einer organisierten Art und Weise und unter der Führung von Deliveroo erbrachten, da diese die Lieferanten über Trainingsvideos und Informationsbroschüren vorbereitete, in denen sie vorschlug, wie sich die Lieferanten vorzustellen hatten oder wie sie die Bestellung entgegennehmen und ausliefern sollten. Sie legte sogar Verhaltensregeln fest. All dies ließ den Richter zu dem Schluss kommen, dass die Beziehung zwischen Deliveroo und den Lieferanten nicht auf eine Transportleistung begrenzt war, in der der wesentliche Aspekt die Auslieferung der Bestellung ist, sondern, dass Deliveroo hinsichtlich der Erbringung der Leistungen den Ton angab.

Darüber hinaus gab es praktisch keinen Spielraum für die Selbstständigkeit der Lieferanten: Wenn die von Deliveroo angebotene Dienstleistung nicht die Vermittlung sondern vielmehr der Vertrieb von Produkten und die Erleichterung des Bestellungsprozesses zwischen Restaurant und Kunden ist, dann ist es offenkundig, dass der Lieferant -abgesehen von der Auswahl des Transportmittels und der Route- keine Möglichkeit hat, die Bestellung so auszuführen, wie er es für angemessen hält. Eine Bestellung abzulehnen, hatte für die Lieferanten ebenfalls ihren Preis, denn er konnte von den Lieferschichten, an denen er Interesse hatte, ausgeschlossen werden. Zuletzt hat der Richter zu Protokoll gegeben, dass die Lieferanten, die Gegenstand des Prozesses waren, über keine Geschäftsstrukturen verfügten, da ihnen die zu erledigenden Aufgaben erklärt werden, der Zugang zu den Arbeitsmitteln ermöglicht werden musste und sie geschult werden mussten. Außerdem verwaltete Deliveroo die Trinkgelder, bestimmte ihre Auszahlung und nahm sie in den Rechnungen auf, die von Deliveroo selbst erstellt wurden.

Wie wir sehen, bedeutet das Urteil einen neuen richterlichen Schlag für das im Juli 2015 gegründete Unternehmen, das erneut erfahren musste, dass das Arbeitsgericht zu dem Schluss gelangte, dass die Beziehung zu den Lieferanten die eines Arbeitsvertrages ist und nicht die eines Dienstvertrages. Jedoch ist das Urteil noch nicht endgültig, da noch Rechtsmittel (das sogenannte recurso de suplicación) beim Obersten Gerichtshof der Autonomen Region Madrid (Tribunal Superior de Justicia de Madrid) eingelegt werden können. Sollte dies geschehen, muss noch abgewartet werden, ob das Oberste Gericht das Urteil der ersten Instanz bestätigt oder nicht.

Weitere Informationen: Monika Bertram