Hypothekenvollstreckung: Spanien nähert sich dem amerikanischen Modell

01.07.2011

Am 30. Juni des Jahres berichtete die einschlägige Wirtschaftspresse des Königsreiches von dem grundlegenden Konsens der beiden grossen spanischen Volksparteien (PSOE und PP) und der katalanischen CIU in Bezug auf die Anhebung des Zuschlagswertes im Rahmen der Zwangsversteigerung von Immobilien. Dieser Wert beträgt derzeit 50 % des in der Hypothekenvollstreckungsurkunde einvernehmlich festgesetzten Versteigerungswertes („valor de tasación“).

Hintergrund: Die Frage des Schicksals der (Rest-) Darlehensschuld bei einem Zuschlag an die vollstreckende Bank nach einem erfolglosen Versteigerungsversuch auf Grundlage des einschlägigen Art. 671 der spanischen Zivilprozessordnung hatte die spanischen Gerichte bereits Anfang des Jahres mehrfach beschäftigt.

Nachdem die zweite und dritte Spruchkammer des Landgerichts Navarra hierbei zu widersprüchlichen Ergebnissen gekommen waren, indem die zweite Kammer nach dem Zuschlag ein weiteres Vorgehen der Bank gegen das sonstige Vermögen des Schuldners wegen Rechtsmissbräuchlichkeit für ausgeschlossen hielt, die dritte Kammer eine Vollstreckung in andere Vermögenswerte wegen des Restbetrages aber kurz darauf wieder zulieβ (siehe hierzu Immobilien & Finanzierung Heft 5/6 2011, S. 154) scheint nun eine Lösung des Gesetzgebers anzustehen: Nach aktuellen Verlautbarungen der spanischen Regierung ist nun umgehend mit einer Anhebung des gesetzlichen Wertes zu rechnen, zu dem sich die vollstreckende Bank nach Art. 671 der spanischen Zivilprozessordnung die Immobilie zuschlagen lassen kann.

Der von anderen Fraktionen eingereichte noch drastischere Vorschlag, einer vollständigen Tilgungswirkung der Restschuld im Moment des Zuschlags an die Bank (sogenanntes amerikanisches Modell) wird damit keine Umsetzung in Spanien finden; jedoch kommt der Parteienkonsens vom 30. Juni dem Alternativvorschlag sehr nahe, da die Erhöhung des Zuschlagswertes zur Folge hat, dass sich der zu tilgende Restbetrag deutlich reduziert. Ergänzt wird dieser Ansatz durch die Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen auf 961 € monatlich.

In Spanien, wo die Eigentumsquote – trotz aller Bemühungen den Wohnungsmietmarkt anzukurbeln – immer noch 85 Prozent beträgt, hatten die Immobilienversteigerungen und der bislang geltende niedrige Zuschlagswert insbesondere die ordnungsgemäß gemeldeten spanischen Bürger getroffen, während Immigranten, die sich durch Hinterlegung der Haustürschlüssel bei der finanzierenden Bank und einen Rückzug in ihr Heimatland, faktisch schon seit geraumer Zeit der Vorteile bedienten, die jetzt gesetzlich für alle Haus- und Wohnungseigentümer geschaffen werden sollen.

Weitere Informationen, Rechtsanwalt Stefan Meyer: [email protected]