Aufgrund der COVID-19-Krise veröffentlichte die Regierung das königliche Gesetzesdekret 11/2020 vom 31. März („RDL 11“). Mit diesem Dekret beabsichtigte sie die Präzisierung, Klarstellung und/oder Weiterentwicklung derjenigen Bestimmungen des königlichen Gesetzesdekretes 8/2020 vom 17. März („RDL 8“), welche das Leben juristischer Personen des Privatrechts berühren. Auf die Änderungen, welche insbesondere die Sitzungen von Gesellschafterversammlungen und Verwaltungsorganen, sowie die Aufstellung, Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses betreffen, werden wir nachfolgend eingehen:
1. Sitzungen von Verwaltungsorganen und Gesellschafterversammlungen: In unserem vorherigen Artikel sind wir darauf eingegangen, dass der Verweis des RDL 8 auf „Leitungsorgane“ („órganos de gobierno“) sowohl Verwaltungsorgane als auch Gesellschafterversammlungen einschließen sollte. RDL 11 geht durch die Erweiterung des Artikels 40.1 um einen zweiten Absatz konkret auf diese Auslegungsproblematik ein. Der ergänzte Absatz sieht ausdrücklich vor, dass Gesellschafter- oder Generalversammlungen per Videokonferenz abgehalten werden können, und eröffnet zusätzlich die Möglichkeit der Abhaltung per Telefonkonferenz. Allerdings wird keine ähnliche Differenzierung oder Klarstellung hinsichtlich der Möglichkeit der Beschlussfassung mittels schriftlicher Abstimmung und ohne Sitzung vorgenommen. Diese fehlende Differenzierung muss daher dahingehend verstanden werden, dass diese Möglichkeit einzig dem Verwaltungsorgan eingeräumt wird, wenngleich wir diese Ansicht nicht teilen.
2. Aufstellung, Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses: Unter normalen Umständen hat das Verwaltungsorgan den Jahresabschluss des vergangenen Geschäftsjahres innerhalb von drei Monaten ab dem Ende des Geschäftsjahres aufzustellen. Anschließend legen die Wirtschaftsprüfer ihren Prüfungsbericht vor, für dessen Erstellung sie mindestens einen Monat ab Erhalt des von den Geschäftsführern unterzeichneten Jahresabschlusses Zeit haben. Die Gesellschafterversammlung hat ihrerseits den Jahresabschluss innerhalb von sechs Monaten ab dem Ende des vorherigen Geschäftsjahres festzustellen. Der festgestellte Jahresabschluss ist dann innerhalb eines Monats bei dem zuständigen Handelsregister zu hinterlegen.
RDL 11 ergänzt an dieser Stelle, dass die Wirtschaftsprüfer den Jahresabschluss innerhalb von zwei Monaten ab dem Ende des Alarmzustandes prüfen müssen, sofern dieser vor oder während des Alarmzustandes aufgestellt wurde.
Artikel 6 bis dieses neuen Dekretes gibt der Geschäftsführung ferner die Möglichkeit, nach Aufstellung des Jahresabschlusses in der während des Alarmzustandes stattfindenden ordentlichen Gesellschafterversammlung den Vorschlag zur Verwendung des Jahresgewinns durch einen anderen Verwendungsvorschlag zu ersetzen. Diese Änderung ist auf Grundlage der durch COVID-19 verursachten Umstände zu begründen. Wurde der Jahresabschluss bereits geprüft, so hat der Wirtschaftsprüfer in einem separaten Schreiben zu bestätigen, dass der neue Verwendungsvorschlag des Verwaltungsorgans keine Änderungen im Prüfbericht zur Folge hat oder gehabt hätte. Ist die Gesellschafterversammlung bereits einberufen worden, kann zwar der Tagesordnungspunkt zum Verwendungsvorschlag abgesetzt werden, es muss jedoch ad hoc eine neue Gesellschafterversammlung zur Entscheidung über die Verwendung des Jahresgewinns einberufen werden. Diese Gesellschafterversammlung muss innerhalb von drei Monaten ab der Aufstellung des Jahresabschlusses abgehalten werden, aufgrund der derzeitigen Umstände innerhalb von drei Monaten ab dem Ende des Alarmzustandes.
Christian Krause ([email protected])
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Bereich Corporate und M&A
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