Zivilprozessrecht in Spanien

27.03.2023 - Michael Fries | Sonia Gumpert Melgosa

Spanien folgt dem kontinentalen Modell des geschriebenen Zivilrechts. Rechtsquellen sind das Gesetz, die Gewohnheiten und die allgemeinen Rechtsprinzipien, die durch die Rechtsprechung ergänzt werden.

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Das Zivilprozessrecht wird durch das Gesetz 1/2000 vom 7. Januar 2000 über den Zivilprozess und das europäische Prozessrecht geregelt.

Wie ist die Zivilgerichtsbarkeit in Spanien aufgebaut?

Die Organisation der spanischen Gerichte wird durch das Gerichtsverfassungsgesetz 6/1985 vom 1. Juli 1985 geregelt und beruht auf dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Die Gerichte und Richter sind nach verschiedenen Zuständigkeitskriterien (Gebiet, Gegenstand, Funktion und/oder Streitwert) organisiert. Sie sind als Einzelrichter oder Kollegialgerichte organisiert.

Fachgerichte nach Sachgebieten 

Im Bereich des Zivil- und Handelsrechts existieren in Spanien Fachgerichte die unter anderem auf Familiensachen, Jugendschutz, geistiges Eigentum, Hypothekarsachen, Schiedssachen, Gesellschaftssachen oder Insolvenzsachen spezialisiert sind.

Das zivilrechtliche Rechtsschutzsystem umfasst drei Ebenen.

Auf der ersten Ebene befinden sich die mit einem Einzelrichter besetzten Entscheidungsorgane (Friedensgerichte, Gerichte Erster Instanz und Handelsgerichte).

Auf der zweiten Ebene befinden sich die kollegial organisierten Gerichte, deren Funktion vorwiegend in der Entscheidung über Rechtsmittel gegen Urteile der Entscheidungsorgane der ersten Ebene besteht (Provinzgerichte, die in Kammern mit je drei Berufsrichtern aufgeteilt sind).

Auf der dritten Ebene befinden sich die Obersten Gerichtshöfe auf Länderebene und der Oberste Gerichtshof auf Staatsebene, die für Rechtsmittel gegen die Urteile der Provinzgerichte zuständig sind. Darüber hinaus gibt es die außerordentlichen Rechtsbehelfe zu den autonomen Verfassungsgerichtshöfen und dem staatlichen Verfassungsgerichtshof.

Anwaltszwang

Zivilverfahren in Spanien erfordern ab einem Streitwert in Höhe von 2.000,- € die Vertretung der rechtlichen Parteiinteressen durch einen zugelassenen spanischen Anwalt und einen Prozessagenten für die prozessuale Vertretung.

Arten und Phasen des Zivilprozesses in Spanien

Ein ordentliches Zivilverfahren wird mit einer Klageschrift eingeleitet, der eine Prozessvollmacht und alle schriftlichen Nachweise der anspruchsbegründenden Tatsachen beigelegt sind. Der Beklagte muss innerhalb von 20 Werktagen – ohne Samstag – nach Zustellung der Klageschrift auf die Klage erwidern und ggfs. Widerklage erheben. Auch der Beklagte hat mit der Klageerwiderung eine Prozessvollmacht und sämtliche schriftlichen Nachweise bei Gericht einzureichen. Nach dieser Schriftsatzphase findet eine erste Anhörung statt, in der über die ggfs. erhobenen prozessualen Einwendungen entschieden, die strittigen Tatsachen festgestellt und die Beweismittel beantragt werden. Innerhalb einer Frist von 1 Monat soll der Beweisaufnahmetermin stattfinden, in dem die Beweise durchgeführt und das Ergebnis von den Parteivertretern gewürdigt wird. Dass Urteil sollte innerhalb einer Frist von einem Monat erlassen werden.

Daneben gibt es die Verfahrensart des mündlichen Zivilverfahrens für bestimmte Materien und für Rechtstreitigkeiten mit einem Streitwert unter 6.000,- €. Das Verfahren beginnt ebenfalls mit der Einreichung der Klageschrift und Prozessvollmacht nebst Beweisurkunden. Der Beklagte hat innerhalb einer Frist von zehn Werktagen auf die Klage zu erwidern. Eine mündliche Verhandlung findet nur statt, wenn eine der Parteien diese beantragt oder eine solche von Amts wegen anberaumt wird.

Es existieren weitere besondere Verfahrensarten, wie das Mahnverfahren zur Beitreibung von Geldforderungen, die mittels Vorlage schriftlicher Nachweise (Rechnungen, Lieferscheine, Bestellungen, Korrespondenz usw.) glaubhaft gemacht werden müssen. Darüber hinaus gibt es den Scheck- und Wechselprozess. Es handelt sich um ein Verfahren zur Vollstreckung von fälligen und unbezahlten Wechseln, Schecks und Eigenwechseln, die einer Klageschrift bedürfen, der das Wertpapier beizulegen ist.

Rechtsprechung in Bezug auf Gerichtsstandklauseln über die ausschließliche Zuständigkeit

Die Parteien eines Vertrages können in Spanien die Zuständigkeit eines Gerichts vereinbaren. Allerdings ist eine Überprüfung der Zulässigkeit der Gerichtsstandklausel auf der Grundlage des Rechts über die allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich. Besteht aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder internationaler Übereinkommen ein zwingender gesetzlicher Gerichtsstand, ist eine freie Wahl des Gerichts ausgeschlossen.

Wie hoch sind die Kosten eines Zivilprozesses in Spanien und von wem sind sie zu tragen? Gibt es Regeln für die Kostenfestsetzung? Werden Zinsen zugesprochen?

In der Regel umfassen die Kosten eines Gerichtsverfahrens in Spanien für jede Partei die Gebühren der beteiligten Prozessvertreter (Rechtsanwalt und Prozessagent) und für den Kläger zusätzlich die entsprechende Gerichtsgebühr. Die Gebühren der Prozessvertreter berechnen sich üblicherweise auf der Grundlage des Streitwerts.

Während die Gebühren des Prozessagenten gesetzlich geregelt sind, gelten in Spanien für Rechtsanwälte keine gesetzlich verbindlichen Vergütungsregelungen und auch die von den örtlichen Anwaltskammern verwendeten Vergütungskriterien haben aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nur unverbindlichen Charakter. Es ist somit auch die Vereinbarung von Erfolgshonoraren möglich.

Darüber hinaus können Kosten für die Teilnahme von Sachverständigen und Zeugen sowie für die erforderlichen Übersetzungen anfallen.

Nach dem spanischen Zivilprozessgesetz sollen die Kosten des Erkenntnisverfahrens der voll unterliegenden Partei auferlegt werden. Der spanische Zivilprozess kennt keine Kostenquotelung. Die Kosten werden nach Rechtskraft des Urteils in einem gesonderten Inzidentverfahren vom Rechtspfleger festgesetzt.

In Vollstreckungsverfahren sind die Kosten vom Vollstreckungsschuldner zu tragen und umfassen neben den vorgenannten Gebühren auch die des Versteigerungsverfahrens.

Im Zahlungsurteil ist der Beklagte zu den gesetzlichen Zinsen ab Klageeinreichung verurteilt; u.U. auch bereits ab ordnungsgemäßer außergerichtlicher Mahnung. Ab Urteilserlass erhöht sich der gesetzliche Zinssatz um zwei Prozentpunkte.

Besondere Regeln für die Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten in Spanien

In Spanien ist die Prozessfinanzierung keine weit verbreitete Praxis, da sie nicht Teil der spanischen Prozesstradition ist und die Verfahrenskosten relativ moderat sind. Die meisten Prozessparteien finanzieren sich daher selbst. Die Prozessfinanzierung konzentriert sich heutzutage auf Sammelklagen oder Verfahren mit einem sehr hohen Streitwert.

Die Prozessfinanzierung fällt unter die im Gesetz 5/2015 vom 27. April 2015 über die Förderung der Unternehmensfinanzierung geregelten Materien, insbesondere die Mezzanine- oder Hybridfinanzierung, die der Genehmigung, Registrierung und Überwachung durch die Nationale Börsenaufsicht unterliegt.

Die Abtretung von Klageforderungen

Die Abtretung von Forderungen ist ein nach spanischem Recht zulässiges Rechtsgeschäft, das nicht der vorherigen Zustimmung des Schuldners bedarf, auch wenn es im Bereich von Verbrauchersachen in der Praxis der spanischen Gerichte zu Komplikationen kommen kann. Der Verkauf von rechtshängigen Forderungen nach Klageerwiderung ist gesetzlich besonders geregelt. Danach steht dem Beklagten das Recht zu, innerhalb einer Frist von 9 Tagen die gegen ihn geltend gemachte Zahlungsforderung durch Zahlung des für die Abtretung gezahlten Kaufpreises zu erfüllen; zuzüglich Verfahrenskosten und -zinsen.

Bei der Vereinbarung über die die Finanzierung eines Zivilprozesses durch eine Person, die nicht Partei des Verfahrens ist, handelt es sich um eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen der Prozesspartei und dem Prozessfinanzierer außerhalb des Verfahrens.

Kann von einer Partei eine Sicherheit für die anfallenden Prozesskosten verlangt werden?

Der Zugang zum Recht ist ein Grundrecht, das dem Grundsatz „pro actione“ unterliegt. Es kann daher vom Antragsteller weder im Rahmen eines Erkenntnis- noch eines Vollstreckungsverfahren Sicherheit für die anfallenden Kosten verlangt werden, es sei denn, dies ist in einem besonderen Gesetz oder internationalen Vertrag vorgesehen. Im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes ist allerdings eine Sicherheitsleistung in Form einer Kaution die Regel.