Pacht eines Gewerbebetriebs
Mittels eines spanischen Gewerbepachtvertrages (auch Industriepacht genannt) überlässt der Inhaber eines Unternehmens/Betriebes für eine bestimmte Zeitdauer den Betrieb seines Unternehmens einem anderen Unternehmen oder Unternehmer (Pächter des Gewerbebetriebes) gegen eine finanzielle Gegenleistung (Pachtzins). Das Vertragsziel ist folglich der Betrieb des Unternehmens durch einen Pächter. Was überlassen wird, ist nicht nur das Gewerbelokal als solches, sondern daneben auch die wesentlichen Elemente des Betriebs, die hierzu sofort oder nach Erledigung der verwaltungsrechtlichen Formalitäten verwendet werden können[1]. Der Gegenstand dieses Vertrages ist also eine Gesamtheit von Elementen, die zu einem wirtschaftlichen Gebrauch geeignet, miteinander verknüpft sind und unmittelbar in Betrieb genommen werden können, also „eine organisierte Gesamtheit“, die einem produktiven Zweck dient, ein bereits vom Verpächter eingerichteter Gewerbebetrieb. Zu dieser Gesamtheit gehören neben dem Gewerbelokal oder der Produktionsstätte vor allem Maschinen, Arbeitnehmer und all diejenigen Gegenstände, die der Produktion oder dem Betrieb dienen, möglicherweise sogar der Firmenname, das bzw. die Logos und andere gewerblich geschützte Elemente wobei die detaillierte Bestimmung und Abgrenzung der Betriebs- oder Produktionseinheit im einzelnen Gegenstand der vertraglich zu treffenden Vereinbarungen sind.
Pacht eines Gewerbelokals
Im Gegensatz hierzu überlässt bei der Pacht eines Gewerbelokals ein Vertragspartner dem anderen gegen eine Mietzahlung den Gebrauch und die Nutzung einer Immobilie oder Teils einer Immobilie, die einer unternehmerischen Tätigkeit (Industrie, Handel, Freiberuflichkeit, …) zu dienen bestimmt ist. Neben dem Lokal sind grds. keine weiteren Elemente Bestandteil des Vertrages, abgesehen von möglichen Ausnahmevereinbarungen über konkrete Einzelheiten.
Unterschiede zwischen der Pacht eines Gewerbebetriebs und der eines Gewerbelokals
Die Schwierigkeit, die beiden im spanischen Recht zugelassenen Vertragstypen voneinander abzugrenzen, entsteht in der Praxis primär dadurch, dass bisweilen im Vertrag der Pachtgegenstand kaum oder unzureichend definiert wird. Zwar trägt der Vertrag oftmals die Bezeichnung „Pacht eines Gewerbelokals“ oder „Pacht eines Gewerbebetriebs“, doch spiegelt dies nicht immer die tatsächliche rechtliche Einordnung wieder. Auch im spanischen Recht ist der Vertragsgegenstand grds. nach dem gemeinsamen Parteiwillen durch Auslegung zu ermitteln wobei die Überschrift nur ein Indiz für den tatsächlichen Parteiwillen darstellt. Am Ende bestimmt sich der Gegenstand des Vertrages nach Auslegung aller vertraglich vereinbarten Elemente und nicht nur nach dem gewählten Titel.
Die höchstrichterliche spanische Rechtsprechung hat wiederholt bestätigt, dass für die Abgrenzung beider Vertragstypen auch in diesem Fall der Wille der Vertragspartner einerseits und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck andererseits maßgeblich sind. Deshalb ist beim Erstellen eines Vertrags besonders darauf zu achten, den Zweck desselben genau darzulegen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Hauptunterschied zwischen den beiden Pachtvertragstypen in dem zugrunde gelegten Gegenstand liegt. Während bei der spanischen Pacht eines Gewerbelokals eine Immobilie, d.h. eine Immobilie, die dazu geeignet ist, in ihr einen Gewerbebetrieb auszuüben, überlassen wird, ist der Vertragsgegenstand bei der spanischen Pacht eines Gewerbebetriebs ein doppelter: Einerseits das Lokal als physische Grundlage des Geschäfts, andererseits der eingerichtete und funktionierende Gewerbebetrieb mit den zum Betrieb notwendigen Elementen. Das Lokal und der Gewerbebetrieb bilden eine Vermögenseinheit, die als Ganzes eigenständig genutzt werden kann[2].
Anwendbare Rechtsvorschriften auf den spanischen Pachtvertrag über ein Gewerbelokal
Das spanische Mietgesetz („Ley de Arrendamientos Urbanos“) bezeichnet diesen Vertragstypus nicht als „Pacht eines Gewerbelokals“ sondern als „Miete/Pacht zu anderen Zwecken als dem Wohnen“. Er richtet sich in erster Linie nach dem Willen der Parteien, im Übrigen nach dem spanischen Mietgesetz, Artikel 29 – 35, und ergänzend dazu nach den Vorschriften des spanischen Zivilgesetzbuchs („Código Civil“ – im Folgenden: CC). Das spanische Mietgesetz überlässt den Parteien eines Gewerbemietvertrages in Gegensatz zum Wohnraummietvertag wo erheblich Mieterschutzvorschriften gelten, einen großen Gestaltungsspielraum. Allerdings ist eine Kaution in Höhe von zwei (2) Monatsmieten, die an öffentlicher Stelle zinslos zu hinterlegen ist, zwingend vorgeschrieben.
Anwendbare Rechtsvorschriften auf die spanische Pacht eines Gewerbebetriebs
Dieser Vertragstyp ist zwar gesetzlich nicht explizit geregelt, aber von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung der spanischen Gerichte anerkannt. Er richtet sich folglich überwiegend nach den Vereinbarungen der Parteien, ergänzend nach den Vorschriften des spanischen CC, insbesondere nach den Vorschriften über die Miete/Pacht von Sachen (Artikel 1542 ff. CC). Das spanische Mietgesetz findet keine Anwendung.
Gerichtliches Verfahren im Fall der Zwangsräumung
Ein weitere wesentlicher Aspekt, der bei der Abgrenzung der Pacht eines Gewerbebetriebs von der eines Gewerbelokals zu beachten ist, ist das im Fall einer Zwangsräumung anwendbare gerichtliche Verfahren: Bei ausbleibender Zahlung des Pachtzinses kann der Verpächter sowohl bei der Pacht eines Gewerbebetriebs als auch bei der eines Gewerbelokals Räumungsklage erheben. Im Fall der Pacht eines Gewerbelokals findet jedoch ein schnelles mündliches Verfahren statt. Über das anwendbare gerichtliche Verfahren auf Zwangsräumungen bei der Pacht eines Gewerbebetriebs ist die Rechtsprechung dagegen nicht einig.
Eine Meinung lässt das schnelle mündliche Verfahren auch bei einem spanischen Industriepachtvertrag zu, so unter anderem das Landgericht Madrid im Urteil vom 10. Februar 2009 und das Landgericht Valencia im Urteil vom 19. Juni 2013.
Andere Gerichte hingegen, wie das Landgericht Barcelona in seinem Urteil vom 21. April 2010, das Landgericht Valencia in seinem Urteil vom 11. November 2011 oder vor kurzem das Landgericht Granada in seinem Urteil vom 14. Februar 2014, weisen darauf hin, dass das anwendbare Verfahren das Ordentliche sei, da die die Pacht eines Gewerbebetriebs vom Anwendungsbereich der LAU ausgeschlossen sei und sich demnach nach den Vorschriften des spanischen CC richte. Auch beschränke die neue Zivilprozessordnung (Ley de Enjuiciamiento Civil – im Folgenden: LEC) in Artikel 250.1.1ª die Anwendbarkeit des mündlichen Verfahrens bei Zwangsräumungen auf die Fälle, in denen die Wiedererlangung des Besitzes eines „Grundstücks im baulichen Außen- oder Innenbereich“ gefordert werde.
Unternehmensnachfolge
Abschließend möchten wir noch kurz auf die Unternehmensnachfolge in Spanien und ihre Auswirkungen auf die Pacht eines Gewerbebetriebs oder Gewerbelokals machen. Unter einer Unternehmensnachfolge versteht man nach Artikel 44 des spanisches Gesetzes über die Rechte der Arbeitnehmer („Estatuto de los Trabajadores“) die Weitergabe eines Wirtschaftsunternehmens, dessen Identität (eine Gesamtheit von Personal und Produktionsmitteln, die die wirtschaftliche Aktivität möglich macht) erhalten bleibt. Grundsätzlich geht die spanische Rechtsprechung davon aus, dass ein Fall der Unternehmensnachfolge vorliegt, wenn nach Beendigung der Pacht eines Gewerbebetriebs der Pächter dem Verpächter den ihm überlassenen Gewerbebetrieb als Ganzes zurückgibt, d.h. als ein funktionierendes Gewerbe mit den zu seinem Betrieb erforderlichen Elementen. Dies gilt jedoch nicht für die Pacht eines Gewerbelokals, bei dem man lediglich ein physischer Raum übertragen wird.
Aus arbeitsrechtlicher Perspektive betrachtet, hat das Vorliegen einer Unternehmensnachfolge zur Konsequenz, dass der Nachfolger die Pflicht hat, in die bestehenden Arbeitsverhältnisse einzutreten und die zum Betrieb gehörigen Arbeiter weiter zu beschäftigen. Andernfalls müsste er ihnen eine ihrem Gehalt und Alter entsprechende Entschädigung zahlen.
[1] Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 24. Mai 2006
[2] Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 2. Dezember 2000