Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Entscheidung vom 21. Dezember 2016 (Az. C-154/15, C-307/15 und C-308/15) der Rechtsprechung des spanischen obersten Gerichtshofs („Tribunal Supremo“), veröffentlicht am 9. Mai 2013, widersprochen. Die Tribunal-Supremo-Entscheidung erklärte die spanischen Mindestzins- oder auch Bodenklauseln („cláusulas suelo“) zwar in bestimmten Fällen für verbraucherrechtswidrig, beschränkte allerdings die Rückwirkung auf den Zeitraum nach seiner Entscheidung, dies um die damals sowieso schon angeschlagenen spanischen Banken vor erheblichen Rückforderungsansprüchen ihrer Kreditnehmer zu schützen. Die EuGH-Entscheidung sieht in dieser nun Rechtsprechung einen Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht und führt hierzu im Wesentlichen an, dass einmal als missbräuchlich bewertete und damit verbraucherrechtswidrige Klauseln in spanischen Hypotheken den Verbraucher so stellen müssen, als wenn die spanischen Mindestzins- bzw. Bodenklauseln nie existiert hätten (ex tunc-Wirkung).
Die spanische Notenbank („Banco de España“) geht von Rückforderungsansprüchen in Höhe von rund 4 Mrd. € aus. Rückforderungsberechtigt sind auch Ferienhausbesitzer, die über spanische Banken finanziert hatten und deren Hypothek eine sog. Bodenklausel enthält.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Entscheidung vom 21. Dezember 2016 der Entscheidung des spanischen obersten Gerichtshofs („Tribunal Supremo“), veröffentlicht am 9. Mai 2013, ausdrücklich widersprochen. Diese sah keine rückwirkende Unwirksamkeit der für nichtig erklärten Klauseln vor. Bei den spanischen Mindestzins- bzw. Bodenklauseln handelt es sich allgemein gesprochen um Klauseln, die bei Vereinbarung von variablen Zinsen die Bank vor einem starken Zinsabfall unterhalb eines bestimmten Mindestzinssatzes schützen soll. Dies wurde laut dem Tribunal-Supremo-Urteil in bestimmten Fällen als rechtswidrig angesehen, sofern eine Irreführung gegenüber dem Verbraucher vorlag, der ein Hypothekendarlehen mit einem rein variablen Zinssatz abschließen wollte, ohne dass sich dieser später aufgrund Zinsabfall in einen festen Zinssatz umwandeln kann.
Mit der vorliegenden EuGH-Entscheidung wurde klar festgestellt, dass einmal als missbräuchlich bewertete, und damit verbraucherrechtswidrige Klauseln in spanischen Hypothekendarlehen aufgrund Verstoß gegen das Transparenzgebot, den Verbraucher so stellen müssen, als wenn die Bodenklauseln nie existiert hätten (ex tunc-Wirkung).
Keine zeitliche Begrenzung der Rückwirkung möglich
Für eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung (ex nunc-Wirkung) bestehe, so der EuGH, kein Raum: Ein nur unzureichender Verbraucherrechtsschutz wäre die Folge, der einer zukünftigen Anwendung solcher Klauseln keinen hinreichenden Einhalt gebieten würde. Der Tribunal Supremo hatte in diesem Zusammenhang damals darauf plädiert, dass die Unwirksamkeit nur ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Urteils gelten soll. Diese Einschränkung des Urteils erfolgte seinerzeit auch vor dem Hintergrund des damaligen Marktumfeldes, d.h. zu einem Zeitpunkt, wo spanische Banken teilweise noch von Hilfen der EU abhingen.
Auswirkungen für spanischen Banken
In der Praxis bedeutet dies für die betroffenen Kreditinstitute grundsätzlich, dass sämtliche durch diese Klauseln erwirtschafteten Zinseinkünfte zurückgezahlt werden müssen. Dies betrifft nach Expertenaussagen grob den Zeitraum ab dem Jahre 2009. Zu diesem Zeitpunkt, inmitten der damaligen Finanzkrise, aktivierten sich die Bodenklauseln aufgrund zunehmenden Zinsverfall. Ersten Pressemitteilungen zufolge wird die zusätzliche Gesamtbelastung für die spanischen Banken rund 3 bis 5 Mrd. € betragen. Laut einem Bericht der spanischen Nationalbank ist mit rund 4 Mrd. € zu rechnen. Insbesondere von dieser EuGH-Entscheidung betroffene Banken sollen, in dieser Reihenfolge, die BBVA, Caixabank, Sabadell, Banco Popular, Liberbank und Bankia sein.
Von einer automatischen Rückerstattung sind wir hingegen noch weit entfernt. Im konkret entschiedenen Fall ging es zudem „nur“ um Mindestzins- bzw. Bodenklauseln der Banken Cajasur, BBVA und Banco Popular, die somit direkt betroffen sind. Auf der anderen Seite werden aber bereits erste vorläufige Stellungnahmen anderer Bankinstitute bekannt, wie bspw. der Banco Sabadell, die wohl trotz des EuGH-Urteils auf die damals vom Tribunal Supremo ausgesprochene Transparenz pochen werden, d.h. man sei der Auffassung, diesem Erfordernis nachgekommen zu sein. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die meisten spanischen Banken bereits seit längerem damit begonnen haben, entsprechende Rückstellungen zu bilden, um möglichen Rückerstattungsansprüchen vorzubeugen.
Fazit
In der Tat ist es so, dass in vielen anderen Fällen noch keine weiteren rechtskräftigen Entscheidungen in Spanien vorliegen, sodass diese Thematik auch zukünftig und trotz des EuGH-Urteils noch lange nicht ausgestanden ist. Geklärt ist hingegen mit diesem EuGH-Urteil, dass in allen Fällen, wo rechtskräftige spanische Entscheidungen die Verbraucherschutzwidrigkeit von Mindestzins- oder Bodenklauseln in Hypothekendarlehensverträgen feststellen, eine zeitliche Begrenzung der Rückwirkung nicht mehr möglich ist, sondern diese seit Vertragsbeginn gelten muss. Eine spannende Frage bleibt somit, in welchen Fällen die Transparenzvorschriften hinreichend eingehalten worden sind und somit keine Irreführung gegenüber dem Verbraucher vorlag.
Auf jeden Fall begünstigt die EuGH-Entscheidung auch Besitzer spanischer Ferienhäuser, sofern diese über spanische Banken variable finanziert haben und deren Hypothek auch eine Bodenklausel enthält. Die Rückforderungssummen sind im derzeitigen Niedrigzinsumfeld teils erheblich.